Montag, 23. November 2009

Die Billionenbombe



Von Michael Mross

Monday, 23. November 2009
Das Geld, die Bombe und DER SPIEGEL: "Warum nach der Jahrhundertkrise schon die nächste droht". - Eine fehlerhafte Problemanalyse, verursacht durch fatale Unkenntnis des Geldsystems.

In seiner jüngsten Ausgabe analysiert das Massenblatt Ursachen und Auswirkungen der Finanzkrise, die in Wirklichkeit eine Geldsystemkrise ist.

Dass nach der "Jahrhundertkrise schon die nächste droht" ist keineswegs - wie das Magazin berichtet - Gier und Wahn in der Bankenlandschaft geschuldet, sondern einzig den dem Geldsystem innewohnenden Mechanismen.

Kurios: Ausgerechnet das, was DER SPIEGEL kritisiert, muss passieren, damit das Geldsystem weiter funktioniert. Ob dies allerdings nachhaltig ist, steht freilich auf einem anderen Blatt.

Jedoch muss man die Funktionsweise des Geldsystems kennen, damit man versteht, was passiert. Die SPIEGEL-Redakteure verstehen das System offenbar nicht, deshalb hier noch einmal Geldsystem für Dummies.

Wir leben in einem System in dem die Summe der Gesamtschulden immer steigen muss. Schlimmer noch: Die Schulden müssen nicht nur immer steigen, sondern systembedingt immer schneller steigen. Das hat folgende Ursache:

Geld ist Schuld. Geld ansich gibt es nicht. Das Guthaben des Einen ist immer die Schuld eines Anderen.

Auf Schulden müssen bekanntlich Zinsen gezahlt werden. Wovon werden diese Zinsen gezahlt? Antwort: Mit neuen Schulden.

Folge: Durch Zins- und Zinseszinseffekte nimmt die Weltschuldenmenge mit der Zeit exponentiell zu. (Das erklären Bankberater auch gerne bei Sparplänen. In desem Fall wird dem Sparer vor Augen geführt, wie sein Kapital im Laufe der Zeit exponentiell wächst. Was der Berater allerdings verschweigt, ist die Tatsache, dass diese Zinsen von Schuldnern bezahlt werden müssen).

Das System ist also auf Gedeih und Verderb auf eine immer höhere Gesamtschuldensumme angewiesen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Subprime-Krise in den USA zu verstehen: Die Bedingungen für einen Kredit wurden immer weiter nach unten geschraubt, um auf diese Weise immer mehr Schuldner zu finden.

Fakt ist aber auch: Schulden können nicht unbegrenzt gesteigert werden. Und genau dies war der Auslöser der "Finanzkrise".

Die Gesamtschuldensumme stieg im Verlauf der letzten Jahre überproportional an, während die Realwirtschaft nicht mehr mitkam. Das ist der "Klassiker" im Hinblick auf einen Bruch im im Geldsystem.


Dies wird im übrigen auch in der aktuellen Studie „Worst-Case-Debt-Szenario“ der Société Générale deutlich. Der Report beklagt jedoch nur die stark steigenden Schulden - ohne auf die Ursachen dieser Entwicklung einzugehen. Hier noch einmal die Grafik, die den Riss am Ende der Kurve in aller Deutlichkeit zeigt zeigt.

Quelle: „Worst-Case-Debt-Szenario“ Société Générale

Im Prinzip kann man die Grafik so interpretieren: Rot=Schulden, Schwarz=Realwirtschaft. Diese Grafik zeigt auch in aller Deutlichkeit, dass Geldsysteme zwar einige Zeit lang gut laufen - am Ende aber wegen des Zinseszinseffekts zum Untergang verurteilt sind: Am Ende steigen nur noch die Schulden und die Realwirtschaft macht schlapp. Interessanter Weise deckt sich der Zeitrahmen von Aufstieg und Fall auch mit einem Kondratjew-Zyklus.
Weiteres Problem: Wenn die Gesamtschuldenmenge im System nicht mehr steigt, kommt es zum deflatorischen Crash: Schuldner können ihren Kredit nicht mehr bedienen. Damit sind auch die Guthaben in Gefahr. Das ist es nun, was Notenbanken und Regierungen um jeden Preis verhindern wollen.

Logischer Folge: Um das System weiter laufen zu lassen, muss in einem ersten Schritt die Schuldenmenge wieder auf den "Vorkrisenstand" gebracht werden. Da man aber schlecht dem mittellosen Farbigen in New Orleans wieder 1 Millionen Dollar für eine wertlose Hütte zur Vergügung stellen kann, muss nach anderen Auswegen gesucht werden.

Eine der einfachsten Möglichkeiten, die Schuldenmenge im System zu erhöhen, ist die Staatsverschuldung. Und genau das ist es, was derzeit passiert.

Problem: Die meisten Staaten sind bereits sehr hoch verschuldet. Auch hier droht die Schuldenfalle: Spätestens wenn alle Steuern für Zinszahlungen draufgehen, ist Schluss.

Damit wird das Haupt-Dilemma im Geldsystem klar: Im System gibt es praktisch weder ein "Zurück" noch ein "Vorwärts".

In einer Deflation crashen die Banken, Guthaben verfallen, Firmen gehen Pleite. Das passiert gerade.

In einer Inflation wird das Geld aller Martteilnehmer wertlos.

Doch die Notenbanken versuchen mit aller Gewalt eine Inflation zu erzeugen. Problem: die Pferde saufen nicht. Immer weniger potenzielle Schuldner sind bereit, Schulden aufzunehmen. Immer mehr Banken sind zu ängstlich, Kredite auszugeben.

Dilemma: Im Prinzip müssen alle Akteure so weitermachen wie vor der Krise - auch wenn das im SPIEGEL kritisiert wird. Geldsystem bedeutet Blasenwirtschaft - bis zum bitteren Ende. Jede Form des "Sparens", sprich, der Schuldenvermeidung und besonders der Schuldentilgung, führt unweigerlich in einer gefährlichen Kettenreaktion zum Kollaps.

Der Ruf nach strengerer Regulierung und schärferen Gesetzen ist daher völlig sinnlos. Alles, was die Schulden- und damit Geldvermehrung blockiert, führt unweigerlich in den sofortigen Bankrott. Hätten die Notenbanken wirklich ein Interesse, das "Spielchen" zu beenden, dann bräuchten sie nur die Zinsen auf 10% setzen. Dann wäre der Spuk vorbei. Doch das traut sich niemand, weil die darauf einsetzende Depression gesellschaftlich schwer zu kontrollieren ist.

Im Prinzip kann man die Situation des Geldsystems mit einer Petrischale vergleichen, auf der Bakterien gezüchtet werden. Wenn man ein wenig Nährlösung hinein kippt, vermehren sich die Bakterien exponentiell. Dies geht so lange gut, bis die Einzeller an Grenzen stossen: das Wachstum wird zwangsläufig von dem Ausmaßen der Schale begrenzt.

Stößt die Population nun an ihre Grenzen, dann nutzt es auch nichts mehr, wenn man zusätzlich Nährlösung reinträufelt. Stoppt man aber die Zufuhr von Nährlösung, sterben unweigerlich große Teile der Population ab.

Übersetzt bedeutet das: Drehen die Notenbanken die Geldhähne weiter auf, kommt es zu einer Hyperinflation und das Finanzsystem bricht zusammen. Drehen sie den Geldhahn aber zu, bricht auch alles zusammen. Der einzige Grund, warum die Notenbanken "Gas" geben, liegt in der Hoffnung, dass es noch einmal ein bisschen weitergeht. Es geht darum, Zeit zu gewinnen. Doch schon die Natur lehrt: Exponentielles Wachstum ohne Ende gibt es nicht.

Notenbanken und auch Politiker scheinen dieses vor uns liegende Dilemma zu kennen. Nicht umsonst warnen Merkel und Schäuble vor unbequemen Zeiten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen